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Die Mistel und das Baummassker am Burgberg
07.04.2021 21:07

Die Mistel und das Baummassaker am Burgberg

 

Es geschah an Ostern 2021 als sich die schlaue, spitzbübische Frühlingshexe mit dem trotteligen Zauberer in ihrer nordhessischen Heimat traf. In diesen schwierigen und revolutionären Zeiten hatten sie sich als Verbündete gefunden und waren bereit für die nächsten abenteuerlichen magischen Exkursionen...

 

Das nordhessische Städtchen war in einer lieblichen Talmulde gelegen, umringt von schön anzuschauenden Hobbit-Hügeln. Es erinnerte an ein Städtchen im Auenland aus Herr der Ringe. In seiner Mitte thronte der frühmittelalterliche Burgberg mit den Resten der Hohen Burg. Umgeben war er von der malerischen Altstadt, die aus vielen gut renovierten Fachwerkhäusern und sogar Teilen der alten Stadtmauer mit Wehrtürmchen bestand. Das Aprilwetter machte seinem Namen alle Ehre: es war deutlich abgekühlt und ODIN schien noch einmal mit seiner wilden Jagd durch das Land zu brausen um einige ruhelose Seelen einzusammeln. Licht- und Schattenspiele durchzogen das Firmament und legten einen melancholischen Schleier über die zarte Frühlingsszenerie der erwachten Natur.

 

Etwas aufgeregt von seiner Reise und erfüllt von Vorfreude traf er sie also und sie machten sich auf in einen verborgenen Seitenweg zwischen den Hügeln, wo sie ein großartiges Geschenk für ihn vorbereitet hatte. „Wir können Dir eine Mistel schneiden.“, schlug sie freundlich vor. Etwas überrascht willigte er begeistert ein: „Schau mal, ich habe alles dafür im Rucksack.“, zeigte er ihr seine Baumsäge und andere Utensilien. Schließlich kamen sie an einer einsamen Stelle an, an der eine große Vielzahl von kraftstrotzenden Misteln die alten Apfelbäume überwucherten. Schwer hatten sie an der Last zu tragen und auch wenn die Mistel ein sehr heilkräftiger Pflanzengeist war, so war sie im Übermaß nicht gesund für ihre Baumwirte. Auch hier schien wieder die „Dosis das Gift auszumachen“, wie Paracelsius es so treffend formuliert hatte. Einer der Apfelbäume stach deutlich hervor und hatte eine große Mistel am unteren Ast hängen. Der Zauberer versetzte sich in Trance und begann mit den Geistern des Apfelbaumes und der Mistel zu reden. Er fragte sie um Erlaubnis, ob er diese Mistel schneiden dürfe. Sie willigten beide ein, was sie durch eine Welle aus Zustimmung und Freundlichkeit kund taten. Also schnitt er schnell und vorsichtig den Ast ab, auf dem sie saß. Zum Glück war die Frühlingshexe gut vorbereitet und hatte einen leckeren Kuchen für die freigiebigen Naturwesen dabei. Sie legten ihn an den Fuß des Baumes und bedankten sich. „Ich glaube, ich werde mich in der nächsten Zeit noch eingehender mit der Heilkraft der Mistel beschäftigen. Schließlich hilft mir ihr Geist ja schon recht lange.“, sagte er zu ihr. Er versiegelte den Schnitt am Ast mit einer Heilrune und dann gingen sie beschwingt nach dieser Tat wieder zurück in das Städtchen und fuhren zum Burgberg, wo etwas schauerliches auf sie warten sollte. Aber das verschwiegen ihnen ihre Geister vorerst...

 

Der Burgberg war sehr steil und durchzogen von Bäumen und sehr kleinen Schrebergärten. Sie schnauften wie eine altmodische Dampflokomotive beim Anstieg und grüßten einen Schrebergärtner freundlich, der in seinem Garten werkte. Doch plötzlich legte sich ein dunkles Leichentuch über ihre fröhliche Stimmung: nahezu der komplette Südosthang des Burgberges war entwaldet worden. Schockiert und stumm schritt die Frühlingshexe langsam den Berg und brach in Tränen aus: „Warum haben sie das getan? Das ist so grausam!“ Der Zauberer war ebenfalls etwas schockiert und schaute sich aus seiner Erfahrung in der Forstwirtschaft und der Gartenpflege heraus die gefällten Baumriesen an. Nur wenige schienen eine Gefahr für die Menschen gewesen zu sein, weil sie brüchig und faul geworden waren. Die allermeisten Bäume, alte Eichen und Borken mit einem Meter Stammumfang und mehr, waren irgend einem menschlichen Plan zum Opfer gefallen. Die Naturwesen waren in Aufruhr. Er konnte ihre Traurigkeit, Angst und Wut auf die Menschen spüren. Schnell bat er seine Geister um Schutz und um Vermittlung, dass sie beide nicht wie normale Menschen seien. Sie würden sie sehen und verstehen und ihnen gerne helfen wollen. Schließlich zeigten sich ihm einige Wesen am Rand des Pfades und willigten traurig in sein Angebot ein.

Oben auf dem Burgberg hielten sie erst mal inne. Sie zeigte ihm liebevoll ihren Kraftbaum, eine alte Linde, die die Säge verschont hatte. Die Linde beherbergte eine herzliche uralte Lindenfrau, die schon viele Menschen erlebt hatte und sie genau beobachtet hatte. Während die Frühlingshexe einige Steine sammelte, in denen die entwurzelten Naturwesen Platz nehmen konnten, um in ein schönes Fleckchen Erde umgesiedelt zu werden, nahm der Zauberer Kontakt zur Lindenfrau auf. Er fragte sie, ob die Geister ihm helfen könnten bei der Erdheilung der Burgberges. Sie gab freundlich lächelnd ihr Einverständnis. Während sie also ihre magischen Werke verrichteten, hatte sich fast lautlos ein Schwarm Dohlen auf der Linde niedergelassen. Fast schienen sie zu spüren, dass Magie in der Luft lag. Normalerweise schnatterten sie immer aufgeregt durcheinander. Doch diesmal waren sie still und schienen zu warten...

 

Ein großer astraler Erddrache erschien und auch ER half ihm bei seiner Arbeit mit einem Tunnel aus Licht, in dem sich altes menschliches Leid in die Oberwelt emporhob. Der Erddrache erzeugte einen großen spiralförmigen Energiewirbel und auf einmal war der ALTE GEHÖRNTE FRUCHTBARKEITSGOTT zugegen und wirkte mit dem Drachen zusammen. Sie belebten die Erde und Pflanzen mit ihrer Kraft. ER umarmte und liebkoste die Naturwesen. ER tröstete sie. Dann war irgendwann alles gut. Das Erdreich vibrierte und zitterte leicht. Ein fahler Lichtglanz schien vom Boden auszugehen und sie zu durchdringen. „Alter Schwede! LmaA! Mann, war das stark! Ich brauch einen Moment um wieder anzukommen..“, sagte er leicht torkelnd sie ihr. Gemeinsam aßen sie noch ein leckeres Stück Kuchen und saßen noch einige Momente still da, um wieder in der Gegenwart anzukommen.

 

Schließlich gingen sie den Burgberg beschwingt zurück. Die Traurigkeit, das Leichentuch, hatte sich zurückgezogen und die Kräfte des Frühlings hatten wieder die Oberhand gewonnen. Später setzten sie an einem anderen Hügel die Steine mit den Naturgeistern aus, um ihnen eine neue Heimat zu geben. Am Hügelchen, nahe beim verwunschenen alten Bauernfriedhof entdeckten sie ein Feld voller Schlüsselblumen unter den Baumriesen. Ja, sie hatten ihre Schlüssel zu ihren Herzen benutzt und etwas gutes und sinnvolles getan heute. Dann war es an der Zeit zurückzukehren und das Leben zu feiern...

 

Alle Rechte am Text liegen bei Niels Vorwerk.

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